Betriebsübergang: mitgehen oder widersprechen, Zeit zur Entscheidung?

Nicht erst seit Siemens und BenQ ist die Unterrichtung der Arbeitnehmer über einen bevorstehenden Betriebsübergang ein Unsicherheitsfaktor für alle Beteiligten. Doch wann und wie lange hat der Arbeitnehmer Zeit zur Entscheidung?
Der Betriebsübergang, als rechtsgeschäftlicher Inhaberwechsel bei Betrieben oder Teilbetrieben (§ 613a BGB), kann entstehen bei der Reorganisation von großen Unternehmen (Auslagerung), aber auch bei Unternehmenskauf oder im Einzelfall schon bei der Übernahme von Leiharbeitnehmern in ein anderes Leihunternehmen. (s. EUGH Urteil v. 13.09.2007). Die Konstellationen sind vielschichtig und bedürfen der Prüfung im Einzelfall. Zur Differenzierung soll hier aber auf folgendes hingewiesen werden: wird in einer Gesellschaft – XY GmbH – lediglich der Gesellschafter ausgetauscht (Share deal), so findet kein Inhaberwechsel/kein Betriebsübergang statt; die XY GmbH bleibt weiterhin Arbeitgeber.

Die Überlegungsfrist bei einem Betriebsübergang beträgt für den Arbeitnehmer einen Monat (§ 613a Abs.VI BGB). Diese Frist startet, wenn eine hinreichende Unterrichtung in Textform – z.B. per Brief, Fax oder E-Mail durch den Veräußerer oder den Erwerber erfolgt ist. Die mündliche Information auf einer Betriebsversammlung oder ein Aushang am „schwarzen Brett“ genügen nicht.

Die Information ist abgekoppelt vom tatsächlichen Zeitpunkt des Betriebsüberganges und wird häufig frühzeitig vorgenommen, um Sicherheit für die künftige Organisation und über die mitgehenden Know-how-Träger zu haben. Manch ein Deal ist schon durch den gruppenweisen Widerspruch von Arbeitnehmern geplatzt.

Notwendige Bestandteile der Unterrichtung sind:
– der Zeitpunkt oder der geplante Zeitpunkt des tatsächlichen Überganges;
– der Grund des Überganges (z.B. Übertragung auf eine neue Tochtergesellschaft zur Ausgliederung eines Bereiches);
– die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Überganges für den Arbeitnehmer (Weitergeltung der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, Haftung des alten und neuen Arbeitgeber für Gehaltsbestandteile vor dem Übergang, Kündigungsschutz, Auswirkungen auf die Arbeitnehmervertretung, soziale Folgen;…);
– die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen (Weiterbildung, Interessenausgleich und Sozialplan);

Erfolgt die ordnungsgemäße Information erst nach dem Vollzug des Betriebsübergangs, so beginnt die Frist auch erst mit deren Zugang.

Ist die gegebene Information inhaltlich mangelhaft, so löst diese die Frist nicht aus. Der Widerruf kann im Einzelfall noch Jahre nach dem Übergang erfolgen. Eine zeitliche Grenze setzt lediglich die Verwirkung des Widerspruchsrechts (§ 242 BGB). Wann diese eintritt, kann nur im jeweiligen Vorgang geprüft werden. Teilweise wird die Meinung vertreten, dass der Widerspruch innerhalb von einem Monat, nach Erkennen des Fehlers durch den Arbeitnehmer, erklärt werden müsste. Dies allein würde jedoch den hohen Anforderungen nicht genügen, die der Gesetzgeber in 2002 bzgl. der Inhalte und der formalen Strenge eingeführt hat.

Die Möglichkeit des Widerspruchs ist jedoch auf jeden Fall dann aufgegeben, wenn der Arbeitnehmer sich bereits positiv erklärt hat. Voraussetzung ist eine ausreichende Unterrichtung über die wesentlichen Aspekte des Betriebsüberganges und ein nachfolgender schriftlicher Verzicht auf den Widerspruch durch den einzelnen Betroffenen.

Im Fall von Siemens–BenQ hat das LAG Düsseldorf übrigens entschieden, dass die Unterrichtung nicht vollständig war und die Arbeitnehmer auch nach einem Jahr noch widersprechen können (LAG Düsseldorf Pressemitteilung vom 29.04.2008).

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